Werbung — Am Publikum vorbeireden Zehn sichere Wege zu wirkungsloser Werbung. Sie bieten Waren oder Dienstleistungen an und wollen die Entscheidungen ihrer potentiellen Kunden auf keinen Fall in irgendeiner Form beeinflussen oder daran Schuld sein, dass sich irgendwo ein positives Vorurteil entwickelt und vielleicht sogar herumspricht – dann sollten Sie sich an die folgenden zehn Grundregeln halten: 1. Machen Sie es allen, die mit Ihren Kommunikationsmitteln in Kontakt geraten, so schwer wie möglich, Ihre Angebote von denen der Konkurrenz zu unterscheiden. Leider ist damit ein Aufwand verbunden. Beobachten Sie, wie die Konkurrenz sich präsentiert und versuchen Sie, so viele der erkennbaren Elemente als möglich in Ihre eigene Kommunikation zu integrieren. Verwechselbarkeit ist das Ziel. Haben Sie keine Zeit, sich um die Konkurrenz zu kümmern, können Sie sich noch immer bei einem der vielen Anbietern von Sujets von der Stange, zum Beispiel Bildmaterial aussuchen, das uns allen mehr als vertraut vorkommt. Sehr beliebt sind zum Beispiel glückliche Familien am Strand, hübsche und spärlich bekleidete Frauen aller Art oder Anzugsträger, die so aussehen, als würden sie gerade telefonieren. Leider ist die Beliebtheit dieser Motive dezenten Moden unterworfen. Es ist daher darauf zu achten, dass Sie auch wirklich gängige Klischees benützen. 2. Sollten sich Ihre Konkurrenten untereinander deutlich voneinander unterscheiden und es daher schwierig werden, durch reine Nachahmung auf eine eigene Positionierung zu verzichten, so empfiehlt es sich, zumindest in der Gestaltung der eigenen Marke möglichst unauffällig zu bleiben. Verwenden Sie ausschließlich Farben, die bereits alle nehmen, zum Beispiel ein dezentes Blau. Suchen Sie sich eine Schrift aus, die bereits als Systemschrift vom Computer so verbreitet ist, dass niemand mehr sie irgendeinem Absender zuordnen könnte. Schreiben Sie Ihren Firmennamen einfach in einer solchen Schrift und fügen Sie, wenn unbedingt notwendig, ein Markenzeichen hinzu, das sich in ähnlicher Form bereits tausendfach bewährt hat. Besonders empfehlenswert sind geometrische Formen wie Kreis, Quadrat oder Dreieck und neuerdings auch geschwungene Linien, sogenannte Swooshes. Vermeiden Sie jede Form persönlichen Ausdrucks. Es ist daher auch dringend geraten, falls sich ein Text mit handschriftlicher Anmutung nicht vermeiden lässt, diesen keinesfalls von einer Kalligrafin schreiben zu lassen, sondern statt dessen eine jener digitalen Schriften zu nutzen, die auch die Konkurrenz verwendet. 3. Verzichten Sie auf jeden inhaltlichen Zusammenhang zwischen Ihrem Angebot und den Botschaften ihrer Kommunikationsmittel. Vermeiden Sie auch hier jeden Einfallsreichtum, sondern übernehmen Sie lieber bereits vielfach wiederverwertete Geschichten aus dem breiten Fundus der Medienwelt. Fällt es Ihnen schwer, selbst zu erkennen, was bereits alle zu langweilen beginnt, machen Sie eine Umfrage. Den Ergebnissen der Marktforschung zu folgen, ist ein sicherer Garant, dass nichts überraschendes die Aufmerksamkeit des Publikums erregt. Testimonials sollten Sie nur dann einsetzen, wenn Sie sicher gehen können, dass die gleichen bekannten Persönlichkeiten zur Zeit für sehr viele Angebote werben. 4. Vermeiden Sie, wann immer möglich, einen erkennbaren Bezug zwischen den einzelnen Botschaften, die Sie auf die Öffentlichkeit loslassen. Nur so lässt sich eine nachhaltige Wirkung grundsätzlich vermeiden. Damit auch wirklich nichts zusammenpasst, sollten Sie jede einzelne Botschaft extra ausschreiben, sich im Briefing sehr zurückhalten und die Entscheidungen möglichst dem Zufall überlassen. Wechseln Sie die Agenturen so oft wie möglich, um eine kontinuierliche Entwicklung der Kommunikation wirkungsvoll zu verhindern. Erhöhen Sie den Zeitdruck. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass bereits vorhandene und bewährte Versatzstücke zum Einsatz kommen. 5. Ist es schwer, eine geeignete Agentur zu finden, dann nehmen Sie einfach den Billigstanbieter. Die Betonung liegt hier auf billig und weniger auf Anbieter. Nur so ist zu vermeiden, dass durch eine fehlgeleitete Liebe zur Arbeit oder unerwartete Professionalität, erst wieder eine Botschaft entsteht, die fasziniert oder in der einen oder anderen Form für Aufmerksamkeit sorgt. Ist kein echter Billigstanbieter zu finden, kann fallweise auch auf internationale Kommunikationskonzerne ausgewichen werden. Achten Sie jedoch darauf, dass der ausgeschriebene Etat so niedrig bleibt, dass niemand es Wert findet, sich etwas einfallen zu lassen. Auch jungen Agenturen fehlt manchmal die notwendige Routine, um den Werbebotschaften alle Ecken und Kanten zu nehmen. Oft sind sie, irregeleitet von falschen Vorstellungen aus ihrer Ausbildungszeit, auf der Suche nach einer neuen oder eigenen Form. 6. Sollte wider Erwarten keine Agentur zu finden sein, die Botschaften in bewährter Form bereits vorrätig hat, achten Sie darauf, dass Ihr Briefing so widersprüchlich als möglich ausfällt. Nur so können Sie auch auf eine potentielle Verwirrung beim Betrachter hoffen. Verbieten Sie Ihrer Agentur jede Form der Verständlichkeit, vor allem wenn es um die Darstellung Ihres Angebots geht. Sollte jemand, aus welchen Gründen auch immer, sich wirklich mit einem Ihrer Kommunikationsmittel beschäftigen, darf er sich auf keinen Fall in die Lage versetzt sehen, irgendwelche Schlüsse daraus zu ziehen. 7. Menschen sind unglaublich hartnäckig, wenn es darum geht, Unsinn in Sinn zu verwandeln. Selbst in obstruse und chaotische Botschaften werden Sinnzusammenhänge hineininterpretiert. Achten Sie also darauf, dass sich selbst bei größter Anstrengung kein Zusammenhang zwischen den einzelnen Teilbotschaften konstruieren lässt. Reichern Sie ihre Werbung so lange mit unzusammenhängenden Informationen an, bis die Verwirrung endgültig und unauflösbar ist. Sollte Ihnen dies nicht gelingen, können Sie immer noch versuchen, jede Glaubwürdigkeit systematisch zu zerstören. Uneinlösbare Versprechungen, grenzenlose Übertreibungen und offensichtliche Falschaussagen, vor allem in Kombination miteinander, leisten dabei immer wieder wertvolle Dienste. 8. Achten Sie darauf, dass Werbung immer auch sofort als Werbung zu erkennen ist. Fallen Sie mit der Tür ins Haus. Seien Sie so laut, plump und groß, dass es allen leicht fällt, die Werbung auszublenden. Da ohnedies die meisten Werbebotschaften einer vergleichbaren Struktur folgen, ist es nicht allzu schwer, sich ebenfalls diesen Tendenzen anzupassen. Umso dichter der Wald der Werbebotschaften, desto größer ist auch die Chance, nicht wahrgenommen zu werden. Achten Sie also darauf, dass sich Ihr Werbefilm immer in der Mitte einer möglichst störenden Werbeunterbrechung befindet, Ihr Plakat inmitten eines Heers von Plakatwänden steht und Ihre Anzeigen sich in Publikationen befinden, die im Wesentlichen aus Werbung bestehen. 9. Zeigen Sie unmissverständlich, dass Sie ihr Publikum verachten. Machen Sie deutlich, dass Sie andere gerne für dumm verkaufen. Besonders wirkungsvoll sind herabwürdigende Witze über Ihre Kernzielgruppen. Lassen Sie Menschen, die Ihre Waren oder Dienstleistungen nutzen oder in Anspruch nehmen, als geistig beschränkt erscheinen. Wenn es eine Schande ist, mit Ihrer Marke in Verbindung gebracht zu werden, müssen Sie nur noch mit wirklich hartgesottenen Kunden rechnen. Sie können natürlich auch versuchen, die ständig wachsenden Bevölkerungsschichten am unteren Ende der Einkommensspirale mit zynischen Bildern aus der Welt der Superreichen zu verhöhnen. 10. Sollten Sie sich trotz aller Bemühungen einer gewissen Sympathie erfreuen, bietet sich nur noch die Gelegenheit, selbst für abstoßende Schlagzeilen zu sorgen. Leider ist sogar in diesem Bereich mit einem gewissen Ermüdungseffekt zu rechnen. Mit Umweltskandalen oder Berichten von Ausbeutung oder Kinderarbeit kommen Sie heute nicht mehr weit und können bestenfalls mit einem müden Lächeln rechnen. Sollte es Ihnen jedoch gelingen, dass eine im Absturz befindliche Berühmtheit auf Ihre Marke schwört, können Sie versuchen, sich an diesen Medienhype zu hängen, um aus den negativen Schlagzeilen – im Sinne einer Image-Einbuße – zu profitieren. Das Befolgen von nur einer einzelnen Regel ist leider meist zuwenig. Kombinieren Sie, um sicher zu gehen, also mindestens drei Regeln miteinander. Sie sehen, es ist gar nicht so kompliziert, am Kunden vorbeizureden. Erschwerend kommt leider hinzu, dass die hier genannten Regeln sich wachsender Beliebtheit erfreuen und immer perfekter und ausgeklügelter angewendet werden. Nur wer sich auch wirklich um eine konsequente Einhaltung bemüht, kann darauf hoffen, nicht dennoch Spuren im Gedächtnis der Menschen zu hinterlassen.

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