Was braucht die Welt ? Wer würde Grafik-Design-Leistungen vermissen? Ich habe keine Ahnung. Ein Mangel an Design ist für mich nicht zu erkennen, eher ein Überangebot. Ist noch irgendwo etwas zu finden, das nicht in der einen oder anderen Form gestaltet wäre? Es hat sich ein Berufsstand herausgebildet, der bei Gestaltungsfragen konsultiert werden kann. Aber wer sieht sich nicht als Expertin oder als Experte? Gibt es eine allgemeingültige Definition, was Gestaltung ausmacht? Welches Wissen ist unerlässlich, um adäquate Formen zu finden? Welche Aufgaben sind an welche Menschen mit welchen Befähigungsnachweisen zu vergeben? Deshalb möchte ich einen einfachen Vorschlag machen: Alle Menschen, die davon leben, dass sie beratend oder gestaltend an Veränderungen der sichtbaren Oberfläche der Welt arbeiten, machen einfach einmal für ein oder zwei Jahre Pause. Wir ziehen uns einfach einmal alle zurück, halten den Mund und verstecken uns, um zu beobachten, was passiert. Wer immer nun Gestaltung braucht, müsste nun selbst nachdenken und Hand anlegen. Was würde geschehen? Wer würde zuerst unser Fehlen bemerken und verzweifelt nach uns rufen? Würde langsam eine allgemeine Desorientierung ausbrechen? Würde die Welt an ästhetischem Reichtum verlieren und optisch verarmen? Würde eine allgemeine Depression ausbrechen, weil die visuellen Reize fehlen, die uns Tag für Tag bei Stimmung halten? Würden die Menschen allmählich keine Formen mehr finden, um sich auszutauschen? Würde die Welt Schritt für Schritt unverständlicher und die technische Umwelt unbedienbarer? Würden Kriege ausbrechen, weil plötzlich keine Zeichen der Verständigung mehr greifbar wären? Nach solch einer Pause würde es uns allen wahrscheinlich leichter fallen, die Antwort auf diese Frage zu finden: Was braucht die Welt? Und nicht nur in diesem Punkt könnten wir klarer sehen, sondern wir würden vielleicht  –  entfremdet von allen Gewohnheiten und Vorurteilen – die Rollen und Aufgaben neu verteilen und mit anderen Augen wieder aufeinander zugehen. Oder eben auch nicht. Gespräch mit  Mag. Dr. Margarita Köhl, 2018 Wie werden sich Ausbildungswege und -konzepte angesichts des Wandels von Wissensbegriffen und -zugängen in den Gesellschaften der Zukunft verändern? Wenn wir uns Fragen, welche Bildung Menschen benötigen, um auf ihr Leben vorbereitet zu sein, dann beschränkt sich sinnvolles Lernen gewiss nicht auf Wissensvermittlung. Wissen ist für mich nur eine von etlichen Ressourcen die den Reichtum menschlichen Lebens begründen. Ziel kann es ja nur sein den Zugang zu allen möglichen Ressourcen zu ermöglichen. Bei den vorhandenen Wissensbeständen ist es uns nur möglich Bruchstücke davon in unserem Gedächtnis zu speichern. Es geht also nicht darum wahllos möglichst viel zu erlernen. Die Kompetenz zu entscheiden, welche Wissensfelder in welcher Tiefe aneignungswürdig erscheinen ist daher von steigender Bedeutung. Denken ist das zueinander in Beziehung stellen von unterschied-lichen Wissens- und Erfahrungswerten. Wir können uns deshalb nicht darauf verlassen, dass alles Wissen möglicherweise digital einfach zugänglich ist. Was nicht aus dem Gedächtnis abrufbar ist, steht uns auch nicht für Gedankenspiele zur Verfügung. In dem Maße, in dem digitale Informationsverarbeitung an Bedeutung gewinnt, wächst auch die Möglichkeit diese Leistungen in vielfältiger Form zu nutzen. Wir sollten uns nicht zurückziehen, um den Algorithmen das »Denken« zu überlassen. Wir leben in einer komplex vernetzten und zunehmend von technologischen Entwicklungen geprägten hochgradig arbeitsteiligen Welt. Wir müssen tagtäglich Entscheidungen treffen obwohl wir nicht im Besitz ausreichender Entscheidungs-grundlagen sind.  Ohne ein Vertrauen in jene Produkte und Services, die wir in Anspruch nehmen, könnten wir nicht überleben. Dieses Vertrauen ist insofern blind, als wir nicht in der Lage sind uns selbst zu vergewissern, dass die Bedingungen, Umstände und Konsequenzen die mit Produkten und Services in Verbindung stehen, auch unseren Interessen entsprechen. Politik als jenes Feld, das wir nutzen um jene Regeln zu vereinbaren, die für alle als verbindlich gelten, gewinnt gerade im Rahmen digitaler Transformationen an Bedeutung. Es ist deshalb wichtig, einen reflektierten Umgang mit den uns zur Verfügung stehenden unterschiedlichen Wahrnehmungsebenen zu erlernen. Welche Herausforderungen gilt es für Gestalterinnen und Gestalter in Zukunft zu bewältigen? Gestaltung ist ein Sammelbegriff für ein breites Spektrum an Tätigkeiten. Generell handelt es sich um einen formenden Eingriff, der wiederum neue Möglichkeiten eröffnet. Gestaltung zielt nicht primär oder vorrangig darauf, etwas fertig zu stellen oder zu Ende zu bringen. Selbst im Industrial Design ist Gestaltung eine Formgebung von Objekten, damit diese in vielfältiger Weise genutzt, verändert oder umgedeutet werden können. Gestaltung begleitet somit Prozesse, eröffnet Handlungsspielräume, bereichert das Leben. In den letzten Jahrzehnten wurde gestalterische Tätigkeit vorwiegend in den Dienst von wirtschaftlichen oder politischen Interessen gestellt. Gestaltung wurde als Dienstleistung gesehen, deren Ziel es ist, die Interessen der Menschen zu überlisten. Form sollte verführen, verzaubern, Begehren erzeugen, fesseln und auf diesem Wege disziplinieren und unterwerfen. Gestaltungsarbeit hat in diesem Sinne viel bewegt. Einschneidende Veränderungen im Leben der Menschen haben sich dadurch ergeben. In gewisser Weise konnte so für viele ein zumindest kleines Paradies auf Erden geschaffen werden, denn die Lebensziele erschienen, mit den zur Verfügung stehenden kommerziellen Angeboten, synchronisiert. Kaum ein Bereich des Lebens blieb verschont. Alles hat Gestalt angenommen, wurde verformt um konsumierbar zu werden. Konsum als Lebensform ist eine verzehrende, verschlingende Art des Umgangs mit Ressourcen. Nicht Werte, sondern Gewinne entstehen dabei durch einen fortschreitenden Verbrauch. Inzwischen ist unübersehbar, dass diese Lebensform keine Zukunft hat und nur ein radikales Umdenken den Menschen auch in Zukunft ein menschenwürdiges Leben auf unserem Planeten ermöglicht. Gestaltung wird daher dringend gebraucht. Einmal um mit Hilfe spielerischer, ergebnisoffner und zweckfreier Prozesse ungeahnte, neue Terrains, Visionen, Ideen, entstehen zu lassen. Ohne einen solchen Reichtum an noch unangepassten, alternativen Modellen kann eine generell notwendige Umorientierung nicht gelingen. Die Hoffnung mancher, mit Rezepten aus der Vergangenheit die Aufgaben der Zukunft lösen zu können, wird sich nicht erfüllen. Die offenen Probleme, Konflikte, Kontroversen lassen sich nur lösen, wenn es uns gelingt diese wahrnehmbar und damit verhandelbar zu machen. Die gängigen Modelle des Ablenkens und Verdeckens, des Abwertens und von sich Weisens werden höchstens zu einer Verhärtung der Fronten und gewaltsamen Konflikten führen. Gestaltungsarbeit sieht sich somit heute vorrangig mit der Aufgabe konfrontiert unmittelbar nicht wahrnehmbares in sinnliche Medien zu übersetzen. Vielfältige Angebote und Gestaltungsformen garantieren noch keine Vielfältigkeit. Meist handelt es sich nur um mehr vom selben, um eine Scheinvielfalt beinahe genormter Muster. Daraus folgt, dass immer weniger Menschen gelernt haben mit pluralistischen Modellen zurecht zu kommen. Politische Programme ziehen nach und vereinfachen und vereinheitlichen ihre Versprechen. Multikulturalität ist jedoch die Voraussetzung für die Entwicklung neuer Modelle. Nut wenn es gelingt Differenzen zueinander in Beziehung zu stellen, kann auf Unterdrückung »abweichender« Vorstellungen und Monotonisierung verzichtet werden. Gestaltung sollte sich daher nicht vorwiegend auf die Entwicklung von Normierungen und Uniformierungen konzentrieren, sondern an einer Ausweitung von Gestaltungsspielräumen arbeiten. Um neue kreative Lösungen zu finden, müssen wir die Zusammenarbeit zwischen »Andersdenkenden« suchen. Nur wenn wir bereit sind Beziehungen zu Menschen mit unterschiedlichsten Vorstellungswelten zu knüpfen, können wir durch spielerisches Ausprobieren herausfinden, was gemeinsam besser funktioniert.  

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