Berliner Type 03

Internationaler Druckschriftenwettbewerb für Deutschland, Österreich und die Schweiz

Varus Verlag Bonn | 2006

„Dem permanenten Wandel unterworfen – So wie in der direkten zwischenmenschlichen Kommunikation neben den gesprochenen Worten auch Aussprache, Stimmlage, Lautstärke, Betonung, Rhythmus und Sprechgeschwindigkeit, sowie Gestik und Mimik eine entscheidende Rolle dabei spielen, wie wir eine Botschaft aufnehmen, so erweitert, verfeinert und differenziert Typografie das geschriebene Wort in seiner Aussage und Wirkung. Typografie erfüllt somit weit vielfältigere Aufgaben, als Texte "optimal lesbar" zumachen. Typografische Gestaltung transportiert Charakter, Handschrift, Haltung, Kultur. Schrift wird zum Schriftbild und so lassen sich mitunter die Intentionen eines Textes auch erfühlen, selbst wenn man die Sprache nicht versteht.

 

Texte richten sich ja auch nicht immer an die Allgemeinheit. Es kann deshalb auch die Absicht einer Gestaltung sein, nur für eine kleine Gruppe von Eingeweihten lesbar zu bleiben. Ästhetik steht für mich für sinnliche Qualität, wobei die Entscheidung über Qualität keinen objektiven, sondern subjektiven Kriterien folgt. Und selbst die subjektiven Entscheidungen sind einem permanenten Wandel unterworfen. Was mir heute als attraktiv begegnet, kann morgen bereits seine Anziehungskraft verloren haben. Wobei Form sich vom Inhalt meist nicht trennen lässt.

Wenn ich es in bestimmten Zusammenhängen genieße, dass sich die Gestaltung zurücknimmt und ein Text möglichst ohne jeglichen ‚Beigeschmack’ erscheint, kann in anderen Situationen gerade die Form eine vorrangige Rolle spielen, um Emotionen in mir anzusprechen. So wie bereits die Stimme eines geliebten Menschen berührt, auch wenn wir uns nur Belangloses erzählen, können wir auf bestimmte Gestaltungsformen in besonderer Weise reagieren, weil sie breite Assoziationsketten in uns hervorrufen.

 

Da zwischen den Menschen nicht nur Unterschiede, sondern auch Gemeinsamkeiten bestehen, lässt sich die Wirkung typografischer Gestaltung, bei aller Subjektivität der Empfindungen, durchaus in einem gewissen Rahmen bestimmen – nicht im Sinne allgemein gültiger, immer währender Gesetzmäßigkeiten, sondern als über Massenmedien konstituierte, gegenwärtige und allgemein verbreitete Übereinkunft.

 

Wir betrachten Typografie und Design somit immer durch einen Filter, der sich aus unseren allgemeinen Wertvorstellungen bildet. Der Zukunftsoptimist und Technikfetischist wird auf andere Gestaltungsformen ansprechen als der Traditionalist oder der Naturfreund. Selbstverständlich können auch widersprüchliche Interessen unsere Wahrnehmung bestimmen. ..." Markus Hanzer

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